Berlin Schlosspark Theater
Foto von A.Savin

In Begleitung auf Berlins Bühnen. Mit dem Alter kommt die Freiheit

Ich war früher viel und gerne im Theater. Mit meiner Frau in der Loge des deutschen Theaters zu sitzen und unseren geliebten klassischen Stücken beizuwohnen war stets der Höhepunkt unserer Woche. Nach ihrem Tod habe ich die Abende dann zuhause vor dem Fernseher verbracht. Es ist so einfach einfach zuhause zu bleiben. Und so schwer das Ende eines Lebensabschnitts zu akzeptieren und wieder rauszugehen, um aktiv am Leben teilzuhaben.

Das Umdenken kam, als ich einen seriösen Escort Begleitservice in Berlin fand. Ich hätte nie gedacht, eine solche Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Die Scham war beim ersten Mal unendlich groß. Aber noch schwerer wog der Wunsch, nicht mehr allein zu sein und wieder weibliche Energie um mich herum zu haben.

Ist es nicht peinlich, dass man für die Zuwendung einer Frau zahlen muss? Früher hätte ich das bedingungslos bejaht. Heute weiß ich, dass das Gefühl von Glück mir wichtiger ist als jene bürgerliche Moral, der ich früher nachhing. Als ich jung und hübsch war, sind die Damen gern mit mir ausgegangen. Nun ist meine Jugend verflossen. Auch jene zweite und dritte Verlängerung der Jugend, mit der einige Zeitgenossen ihre 30er und 40er beschreiben. Geld gegen Zeit. Ein fairer Tausch wie ich finde.

Die Damen, die ich treffe sind jung. Zu jung, wie einige vielleicht finden. Doch ich will nicht ihre Körper. Ich will ihre Energie, ihren Optimismus. Den Optimismus und die Neugier eines Menschen, der noch alles vor sich hat. Der frische Geist überträgt sich bei jedem Treffen auf mich, vermischt sich mit den Eindrücken des Theaterstückes und wirkt so mehrere Tage in mir fort, trägt mich gleichsam durch die Woche.

Diesmal trieb es uns in the king´s speech im Schlosspark Theater. Meine Begleitung kannte bereits den gleichnamigen Film und hatte das Stück für uns ausgewählt.
Die historisch belegte Geschichte spielt in den dreißiger Jahren vor dem zweiten Weltkrieg.

Herzog Albert, zweiter Sohn von König George, stottert und wird bei einer Rundfunkansprache bis ins Mark gedemütigt. Kein Arzt vermag ihm zu helfen, bis er den exzentrischen Lionel Logue kennenlernt. Die Annäherung der beiden Protagonisten ist gekennzeichnet durch die Steifheit des von Komplexen und Blockaden geprägten Herzogs. Ein wenig fühlte ich mich, als würde jemand mit dem Finger auf mich zeigen und mir zuflüstern: Du alter Narr, wieviel Zeit hast Du verloren, weil Du tatest, was die Gesellschaft von Dir verlangte statt was Dir gut getan hätte. Ich musste meine schöne Begleiterin ansehen, die meine Hand hielt, aber zu sehr in das Stück vertieft war, um meinen Seitenblick zu bemerken.

Als der König stirbt, muss wider Erwarten Albert die Königswürde annehmen, weil sein älterer Bruder David die Heirat mit einer bürgerlichen Frau der Krone vorzieht. Albert wird König in einer schweren Zeit. England wird durch die aggressive Politik von Hitlerdeutschland zunehmend an die Wand gedrängt. Die Rolle des Königs wird zu wichtig, als dass Albert sich still im Hintergrund halten könnte. Er muss reden lernen…

Und er lernt es, langsam und stetig mit der Unterstützung von Logue, der in der Zwischenzeit mehr Freund als Therapeut geworden ist. 1939 schlägt seine wichtigste Stunde, als er dem britischen Volk den Kriegseintritt gegen Deutschland erklären muss. Ruhig und bestimmt wirkt er in seiner Ansprache, die von dem Volk jubelnd angenommen wird.

Wieviel Zeit und Leid hätte Albert sich sparen können, wäre er früher bereit gewesen, seine verstockten Einsichten zu überdenken und nach dem zu greifen, was er wirklich wollte? Die Frage stelle auch ich mir, als ich meiner Begleiterin die Taxitür aufhalte und sie mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange drückt.

Aber die Nacht ist klar und frisch. Ich spüre großen Frieden in mir. Mit dem Alter kommt die Freiheit.

Richard